Neuere französisch-deutsche übersetzungsprobleme aus der juristischen praxis

AutorThomas Gergen
CargoSaarbrücken
Páginas257-268

    Privatdozent Dr. Dr. Thomas Gergen, Ass.jur., Maître en droit ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Deutsche Rechtsgeschichte und Bürgerliches Recht von Prof. Dr. Elmar Wadle an der Universität des Saarlandes im Fachbereich Rechtswissenschaft. Er ist vereidigter Übersetzer und Dolmetscher für die Gerichte des Saarlandes und die Saarländische Notarkammer in den Sprachen Französisch und Spanisch.

    Das Landgericht Saarbrücken verlieh ihm 2003 die Befähigung zur Rechtsberatung im französischen Recht gemäß dem deutschen Rechtsberatungsgesetz.

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Jeder Rechtsvergleich muss sich den Hürden des Sprachvergleichs stellen, und die Probleme, die die juristische Übersetzung mit sich bringt, mit linguistischer als auch juristischer Präzision angehen. Der einfache Zugriff auf Terminologie-Datenbanken ist natürlich eine große Hilfe. Rechtsterminologische Wörterbücher wie etwa das Eurodicautom oder kleinere Glossare in Lehrbüchern zur Rechtssprache1 sind in dieser Hinsicht jedoch unzureichend. Bei der Übersetzung juristischer Termini geht es, insbesondere dann, wenn sie neugeschöpft wurden, gerade nicht ohne einen Vergleich der Rechtssysteme. Gleichzeitig mit der Übersetzung muss dem Angehörigen einer Rechtsordnung die jeweils andere auch inhaltlich vermittelt werden.

Da gemäß § 184 des deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) die Gerichtssprache Deutsch ist, muss der deutsche Jurist bei der Anwendung ausländischen Rechts auch das geeignete deutsche RechtsvokabularPage 258 nutzen; hierbei hilft ihm der in der technischen Juristensprache ausgebildete Diplomübersetzer bzw. –dolmetscher, der sich wiederum der Einarbeitung in das ausländische Rechtssystem und dem Rechtsvergleich nicht verschließen darf.

In unserem Beitrag, der sich der französisch-deutschen Rechtsübersetzung widmet, sollen Schwierigkeiten und Lösungen unter Zugrundelegung eigener Übersetzungserfahrungen dargelegt werden. So gehört zu einer ersten Erfahrung die Übersetzung zentraler, für den französischen Juristen einschlägiger Begriffe wie «Conseil d’Etat» oder die «voie de fait». Gewiss kann man «Conseil d’Etat» nicht mit «Staatsrat» übersetzen, war doch dies gerade ein Begriff des Rechts der DDR; Begriffe wie «Staatsrat» oder «Staatsratsvorsitzender» klingen heute noch nach. Schon bei diesen beiden Begriffen, nämlich «Conseil d’Etat» und «voie de fait», genügt eine einfache Übersetzung nicht, sodass der Übersetzer verpflichtet ist, eine adäquate Erklärung zu liefern, um den Rechtsbegriff zu periphrasieren. Zudem können für unsere Untersuchung Beispiele aus der Übersetzung wichtiger Begriffe des deutschen Zivilrechts ins Französische geliefert werden. Hierbei ziehen wir Begriffe heran, die sich um die notarielle Beurkundung (authentification par-devant notaire) und allgemein um die Insolvenzverwaltung (faillite, syndics) ranken.

Ein großes Problem tritt schließlich noch auf bei der Übersetzung früherer und neuer Tatbestände des französischen Scheidungsrechts, die der deutsche Jurist bei der Anwendung französischen Rechts selbstverständlich beachten und gebrauchen muss. Auch hier würde eine blinde Übernahme oder Aneinanderreihung juristischer Termini ins Leere führen, sodass ein Vergleich der Rechtssysteme, günstigenfalls bei Kenntnis beider Rechtssysteme, stets angebracht ist: «Scheidung auf Französisch» ist eben doch nicht so einfach!

1. Übersetzung und Umschreibung juristischer Termini im deutsch-französischen Kontext

Bei der Übersetzung eines Textes zum französischen Verwaltungsrecht bzw. Verwaltungsprozessrecht2 wurde bereits die Schwierigkeit deutlich, dass juristische Termini nicht einfach in die Rechtssprache eines anderen Landes übersetzt werden können. Eine Umschreibung setzt gründlicherePage 259 Kenntnisse der Rechtssysteme voraus. Das Beispiel des «Conseil d’Etat» beweist dies hinlänglich. Eine wörtliche Übersetzung wie «Staatsrat» ist widersinnig und für den deutschen Juristen sogar missverständlich, wird doch damit an den ehemaligen Staatsrat der DDR oder an den Staatsrat anderer kommunistischer Länder erinnert. «Conseil d’Etat» muss auch im deutschen Text als eigener Terminus in seinem Kontext beim ersten Auftreten erklärt werden. Nach französischem Verfassungsverständnis hat der «Conseil d’Etat» verschiedene Aufgaben; er ist nicht nur Beratungsorgan vor der Inkraftsetzung von Gesetzen in Frankreich, sondern handelt ebenfalls als oberstes französisches Verwaltungsgericht. Die jeweilige Funktion, die der «Conseil d’Etat» ausfüllt, sollte deshalb explizit erscheinen, sodass man schreiben kann: «Hier der Staatsrat in seiner Eigenschaft als oberstes französisches Verwaltungsgericht» oder «in seiner Funktion als Beratungsorgan vor der Verkündung eines Gesetzes». Auch darf der Conseil d’Etat nicht mit dem Bundesverfassungsgericht verwechselt werden, dessen Hauptaufgabe es ist, Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu verifizieren. Dafür gibt es in Frankreich die Cour Constitutionnelle. Im Ergebnis ist das Wort «Staatsrat», verbunden mit seiner jeweiligen Funktion bzw. Eigenschaft, so nicht mehr missverständlich.

Auch der Begriff der «voie de fait» bedarf der Erläuterung an der Stelle, an der er zum ersten Mal in der Übersetzung auftaucht. «Voie» meint ganz allgemein den Weg oder ein Mittel. So bezeichnet «voie de droit» ganz allgemein ein Rechtsmittel, «voie de fait» ein Mittel der Tat, genau gesagt ein «Tätlich-Werden». Die französische Rechtssprache meint mit «voie de fait» eine Verletzung, ein «Tätlich-Werden» bzw. einen Angriff gegen die Rechtsgüter von Ehre und Eigentum. Da ein solcher Begriff dem deutschen Recht fremd ist, bedarf es einer geeigneten Periphrase.3

Umgekehrt können wir Beispiele anführen bei der Vermittlung deutschen Rechts für französische Juristen. Wie vermittelt man den «Insolvenzverwalter» der Insolvenzordnung, die in Deutschland seit 1999 in Kraft ist und die alte Konkurs- bzw. Vergleichsordnung von Ende des 19. Jahrhunderts abgelöst hat? Der französische Jurist kennt den «mandataire judiciaire» bzw. den «liquidataire judiciaire», denen das französische «droit de la faillite» beim Ablauf des Konkursverfahrens ganz bestimmte Aufgaben zuordnet. Dem deutschen Insolvenzverwalter obliegen dagegen umfassende Pflichten. Dem französischen Juristen muss dies ebenfalls erklärtPage 260 werden, wobei man den zentralen Begriff des «syndic» benutzen kann, sofern man ihn das erste Mal, bei dem er auftritt, entsprechend als dem deutschen Insolvenzverwalter gleich definiert.4

Bei der Behandlung der notariellen Beurkundung5 steht die Willenserklärung des BGB im Vordergrund, die man «manifestation de volonté» oder am besten wörtlich mit «déclaration de volonté» übersetzt. Deutlich gemacht werden muss zudem der Unterschied zweier Rechtsgeschäfte (actes juridiques), die das deutsche Trennungsprinzip bedingt: das Verpflichtungs- und das Verfügungsgeschäft.6

Ein anderer fachsprachlicher Begriff, der in diesem Kontext zu nennen ist, ist die «Auflassung» des deutschen BGB, d.h. die zur Übertragung des Eigentums an einem Grundstück nach § 873 BGB erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers, die bei gleichzeitiger (nicht notwendig persönlicher) Anwesenheit beider Teile vor einer zuständigen Stelle (Notar) erklärt werden muss. Bei der «Vermittlung» dieses Begriffes für den französischen Juristen muss diesem die Auflassung umschrieben erklärt werden, da es sie im französischen Recht nicht gibt. Die Auflassung bedarf ferner der notariellen Beurkundung (authentification par-devant notaire). Einmal gibt es die Übersetzung der «résignation du droit de la propriété par rapport à un terrain», die — genau gesagt — die Aufgabe (résignation) des Rechts am Grundstückseigentum umschreibt.7 Eine bes-Page 261sere Übersetzung stellt dar: «l’accord solennel des parties pour le transfert de propriété d’un immeuble»,8 d.h. das formgültige Einverständnis der Parteien über die Eigentumsübertragung an einem Grundstück.

Bei der Darstellung des deutschen Systems der notariellen Beurkundung trat noch der Begriff der «Heilung» eines infolge Formmangels nichtigen Rechtsgeschäfts auf, den man am besten mit «régularisation d’un vice de forme» ins Französische überträgt.

Problematisch ist auch der Begriff des «Lebenspartnerschaftsgesetzes» vom 16. Februar 2001, das in seinem § 7 auf die §§ 1409 und 1411 des BGB, also auf die Eheverträge, verweist. Im Unterschied zum französischen «pacte civil de solidarité» (PACS) betrifft dieses Gesetz nur homosexuelle Partnerschaften, während der PACS viel mehr umfasst mit der Folge, dass der Begriff «Lebenspartnerschaftsgesetz» dem französischen Juristen nicht einfach mit «PACS» erklärt werden kann; ihm muss stets verdeutlicht werden, dass das deutsche Lebenspartnerschaftsgesetz nur auf eingeschränkte partnerschaftliche Beziehungen Anwendung findet, d.h. nur auf homosexuelle.9

Begriffe wie «Erbverzichtsvertrag» (§ 2348 BGB) oder «Erbschaftskauf» (§ 2385 BGB) waren am besten durch «contrat de renonciation à l’héritage» sowie «contrat d’aliénation de l’héritage» zu übersetzen.10

Ein weiteres Beispiel aus dem Zivilprozess bzw. auch aus dem Arbeitsgerichts- und Sozialgerichtsprozess ist das Institut der «Nichtzulassungsbeschwerde», die dann eingelegt wird, wenn das Landgericht, das die Berufung bearbeitet, die Revision an das Bundesarbeits- oder Bundessozialgericht nicht zulässt. In diesem Fall kann die Nichtzulassung der Revision selbstständig durch Beschwerde angefochten werden. Dann muss das Bundesarbeits- oder Bundessozialgericht durch Beschluss die Revision zulassen (vgl. § 72a ArbGG = Arbeitsgerichtsgesetz bzw. §§ 160 und 160a des SGG = Sozialgerichtsgesetz). Der Terminus der Nichtzulassungsbeschwerde war hier folgendermaßen zu periphrasieren: «recours présenté devant la Cour fédérale du travail/Cour fédérale de la sécurité sociale con-Page 262tre le refus du tribunal régional du droit de pourvoi en cassation»,11 also die Beschwerde, die vor dem Bundesarbeits- bzw. Bundessozialgericht eingelegt wird, gegen die Weigerung des Landesarbeits- bzw. Landessozialgerichts, die Revision (cassation) zuzulassen.

Im Insolvenzrecht gibt es zwischen Frankreich und Deutschland wichtige Unterschiede. Vorab ist zu erwähnen, dass das französische Recht kein dem deutschen Insolvenzverwalter entsprechendes Organ kennt. Das französische Recht unterscheidet zwischen «liquidataire judiciaire» und dem «mandataire judiciaire». In einer Abhandlung zur Erklärung der deutschen Insolvenzordnung ist der Begriff des Insolvenzverwalters, wenn man ihn nicht so stehen lässt, einfach mit «syndic» zu übersetzen, da dieser Begriff im Französischen sehr allgemein einen mit Rechtsfragen befassten Verwalter (Syndikus) bezeichnet.12 Der Begriff der «Insolvenzmasse», wie er in § 80 der Insolvenzordnung (InsO) vorkommt, erscheint am besten übersetzt mit «biens de la masse de la faillite».13 Wenn § 286 InsO von «Restschuldbefreiung» spricht, beschreibt dies den «apurement des dettes restantes».14 «Gläubigerausschuss» entspricht «commission des créanciers».15 Muss der Insolvenzverwalter jeder interessierten Person Auskünfte über die wirtschaftliche Situation des Schuldners und die Gründe seiner finanziellen Schwierigkeiten geben, erfolgt dies gemäß § 156 InsO in einem sog. «Berichtstermin», den der Übersetzer mit «séance du rapport» wiedergeben sollte. Dagegen wäre «Terminbericht», also der Bericht über den Termin, der «rapport de séance».

Der Begriff der «Nachtragsverteilung», wie ihn § 203 Abs. 1 InsO einführt, birgt gleichfalls Erklärungs- wie Übersetzungsprobleme. Damit sind zusätzliche Beträge und Rückflüsse aus bereits geleisteten Zahlungen gemeint, die im Nachgang zur eigentlichen Gläubigerbefriedigung fließen; gemeinsam mit dieser Erklärung kann dies der Ausdruck «répartition dite annexe» wiedergeben.16

Die Übersetzung ganzer französischer Tatbestände, die es im französischen Scheidungsrecht gab und seit der jüngsten Reform weiterhin gibt,Page 263 und deren Vermittlung für den deutschen Juristen bauen gleichfalls Hürden auf; aber auch diese sind mittels geeigneter Erklärungen zu meistern.

2. «Scheidung auf französisch»: Scheidungs-Erfahrungen in der französisch-deutschen Vermittlung

Vermittlungsprobleme in einer passenden Übersetzung in die Fremdsprache sind um so größer, je unterschiedlicher und filigraner die Rechtssysteme ausgestaltet sind; dies führt das Ehescheidungsrecht deutlich vor Augen. Auch nach der jüngsten Reform des französischen Scheidungsrechts existieren fundamentale Unterschiede zwischen dem deutschen und dem französischen Recht. Aber nicht nur materiellrechtlich, sondern auch sprachlich scheiden sich hier die Geister. Daher sollen im Folgenden Erfahrungen bei der Übersetzung dieser für die juristische Praxis so wichtigen Rechtsmaterie berichtet werden.

Mit Wirkung vom 1. Juli 197717 kann eine Ehe in Deutschland nur durch gerichtliches Urteil auf Antrag eines oder beider Ehegatten geschieden werden (§ 1564 Abs. 1 BGB). Gemäß § 1566 BGB wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt. Unwiderlegbar wird das Scheitern der Ehe vermutet, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben. Während das deutsche Recht nur eine Scheidungsart kennt, kannte und kennt dagegen das französische Recht einige Scheidungstypen.

Das französische Gesetz vom 11. Juli 1975 ersetzte das zuvor geltende alleinige Scheidungsverfahren wegen Verschuldens (divorce pour faute) durch vier verschiedene Scheidungsarten. Der französische Begriff der «divorce-sanction» ist bereits ein feststehender Begriff, der beschreiben soll, dass die Scheidung die Pflichtverletzungen ahnden soll, die ein Ehegatte dem anderen gegenüber begangen hat. Ohne diese Erläuterung könnte eine simple Übersetzung mit «sanktionierende Scheidung» den deutschen Juristen in die Irre führen.18

Divorce pour faute

übersetzt man idealiter mit «Scheidungsverfahren wegen Verschuldens», wiewohl in der Literatur auch bereits «Schei-Page 264dung aus Verschulden» benützt wurde. Die Scheidungsarten des Gesetzes von 1975 waren erstens die «Scheidung auf gemeinsamen Antrag» (divorce sur demande conjointe), zweitens die von einem Ehegatten beantragte und vom anderen angenommene Scheidung (divorce demandé par l’un et accepté par l’autre); drittens die Scheidung wegen Bruchs der Lebensgemeinschaft (divorce pour rupture de la vie commune) sowie viertens die Scheidung wegen Verschuldens (divorce pour faute). Die Vielfalt dieser Scheidungstypen blieb auch mit der Reform vom 26.5.2004 erhalten. Aber sowohl die einvernehmliche wie die streitigen Scheidungsarten wurden tiefgreifend reformiert, sodass die neuen Bestimmungen zu einer deutlichen Abnahme der Scheidungsverfahren wegen Verschuldens führen dürften. Das neue Gesetz teilt das Scheidungssystem nun in einvernehmliche Scheidung (divorce par consentement mutuel) sowie in streitige Scheidungsarten (divorces contentieux) ein. Die Ehegatten müssen künftig nur noch einmal vor dem Familienrichter (juge aux affaires familiales, abgekürzt JAF) erscheinen. Der JAF entspricht ohne Weiteres dem deutschen Familienrichter in Ausbildung und Funktion. Der frühere Ausdruck JAM (juge aux affaires matrimoniales) war dagegen enger gefasst, da damit lediglich Ehesachen bezeichnet werden. Die Wortwahl spiegelt recht eindrucksvoll die Funktionserweiterung durch den Gesetzgeber wieder: die gesamte Familie ist durch die Auswirkungen der Scheidung der Eheleute betroffen, also insbesondere die Kinder.

Bei den streitigen Scheidungen unterscheidet der Gesetzgeber nun drei Fälle, wobei er die Scheidung wegen Verschuldens (divorce pour faute) beibehielt, jedoch an den Schluss der drei streitigen Scheidungsarten setzte, womit er bewies, dass er die Scheidung wegen Verschuldens zwar beibehalten wollte, jedoch ihrer Wichtigkeit beraubte. Die drei Scheidungsarten vermittelt man dem deutschen Juristen am besten durch folgende Übersetzungen: erstens «divorce par acceptation du principe de la rupture du marriage» (= Scheidung durch Annahme des Prinzips der Zerrüttung der Ehe), zweitens «divorce pour altération définitive du lien conjugal» (= Scheidung wegen endgültiger Zerrüttung des Ehebandes) sowie drittens die weiter existierende «divorce pour faute» (= Scheidung wegen Verschuldens). Dem Übersetzer fällt sofort die unpräzise, ja widersprüchliche Wortwahl des französischen Gesetzgebers auf, der denselben Tatbestand der «Zerrüttung der Ehe» mit zwei irreführenden Bezeichnungen versehen hat, die inhaltlich beide gleichbedeutend sind, nämlich «rupture» und «altération définitive».19 Stiftet der Gesetzgeber als UrheberPage 265 des Textes bereits Verwirrung, steht der Übersetzer erst recht vor Schwierigkeiten!

Bei der Scheidung durch Annahme des Prinzips der Zerrüttung der Ehe beruht der Grundcharakter auf dem einfachen Einverständnis der Parteien über das Scheitern (also die Zerrüttung) ihrer Ehe, ohne dass weitere Ursachenforschung betrieben wird und das Verschulden untersucht wird. Die Präposition «par» vor der Annahme des Prinzips ist mit «durch» zu übersetzen und nicht mit «wegen», weil die Annahme bzw. das beiderseitige Einverständnis der Parteien die Voraussetzung bzw. das Mittel für die Beantragung der Scheidung darstellt, die der Richter explizit feststellen muss. Bei der Scheidung wegen endgültiger Zerrüttung des Ehebandes steht der Grund, nämlich das Scheitern der Ehegemeinschaft, im Vordergrund. Der Gesetzgeber hat hier Wert auf den Grund gelegt und ein Modell einer so genannten «divorce-faillite» geschaffen, also einer Scheidung, die einer Bankrotterklärung gleichkommt und nicht ohne Weiteres mit «Konkurs-Scheidung» übersetzt werden kann; auch hier bedarf es, wie bei der «divorce-sanction», einer Erklärung.

Bei den Scheidungsfolgen treten gleichfalls Begriffe auf, die Übersetzungsprobleme bereiten. So ist zunächst die «délai de viduité» zu erwähnen, die man am besten mit «Wartefrist» dem deutschen Juristen nahe bringt. Damit ist gemeint, dass es eine Frist gab, die die Ehefrau daran hinderte, in den ersten 300 Tagen nach Auflösung der Ehe (sei es durch Scheidung oder durch Tod des Ehegatten) eine neue Ehe einzugehen. Die Regelung, die dazu diente, einer möglichen Unsicherheit bei Vaterschaften vorzubeugen, erschien veraltet und diskriminierend und war seit langem heftiger Kritik ausgesetzt. Die Wartefrist, die durch § 8 des deutschen Ehegesetzes vorgesehen war, wurde in Deutschland schon durch das Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts vom 4.5.1998 aufgehoben. Der Übersetzer kann die Dauer der Wartefrist von 300 Tagen mitliefern; hier gilt, dass die beste Übersetzung die ist, die am meisten Informationen bereitstellt.

Die Reform der «prestation compensatoire» erregte viel Aufmerksamkeit und wird am sichersten mit «Ausgleichsleistung» wiedergegeben.20 «Devoir de secours» überträgt sich am treffendsten mit «Unterstützungspflicht». «Donations de biens présents et avantages matrimoniaux» übersetzt man am besten mit «Schenkungen und sonstige wirtschaftliche Vorteile, die während der Ehe erfolgen», um Art. 265 Abs. 1 Code civil n.F. gerecht zu werden. Unter «avantage matrimonial» versteht man einen sich aus dem Ehegüter-Page 266stand ergebenden Vorteil zugunsten eines Ehepartners. Aufsehen erzeugt noch der Begriff der «pension de réversion», der eigentlich «Hinterbliebenenrente» meint. Allerdings passt in diesem Zusammenhang der Begriff der Hinterbliebenenrente nicht, um Art. 265 1 Code civil n.F. treffend wiederzugeben, sodass ein Anspruch auf eine «Rente» mit der Erläuterung zur «pension de réversion» die beste Lösung darstellen dürfte. Problematisch erscheint ferner die Wendung der «donations de biens à venir». Auf den ersten Blick will Art. 265 Abs. 2 Code civil n.F. damit die «Schenkungen der in der Zukunft hinzukommenden Güter» beschreiben. Damit sind die Schenkungen gemeint, die erst nach Auflösung des Ehegüterstandes bzw. im Todesfall eines Ehegatten ihre Wirkung entfalten.21 Daneben entstand der Begriff der «donation au dernier vivant», der die «Schenkung zugunsten des Überlebenden» in Worte fasst.22

Weitere Begriffe, die im Scheidungsrecht auftauchen, sind schließlich noch die «ordonnance de non-conciliation», die mit «Nichtversöhnungsbeschluss» wiederzugeben ist. Der frühere «divorce sur double aveu» bedeutet «Scheidung durch beiderseitiges Geständnis» (Art. 230-236 Code civil a.F.), wobei sich hier die Präposition «auf» wegen der zeitlichen Abfolge «erst Geständnis beider Seiten, dann Scheidung» ebenfalls gut einfügt. Wenn ein Ehegatte sich auf die Scheidung wegen endgültiger Zerrüttung des Ehebandes beruft, kann der andere Partner das Verschulden einführen im Rahmen einer «demande reconventionelle», womit Art. 247-2 Code civil n.F. einen «Gegenantrag» meint. Vorsicht ist hier geboten, weil «demande reconventionelle» ebenfalls Widerklage bedeuten kann, es sich technisch jedoch im Scheidungsverfahren nicht um eine eigenständige Klage handelt, sondern lediglich um einen neuen Antrag. Ergo hat der Übersetzer in diesem Fall den Terminus «Gegenantrag» zu verwenden.

3. Fazit

Der Bericht über die Übersetzungserfahrungen vom Französischen ins Deutsche bzw. umgekehrt und die Vermittlung von Rechtswissen dem jeweiligen juristischen Partner aus dem Ausland gegenüber hat die eingangs aufgeführte These der Verknüpfung von Rechts- und Sprachvergleich nur bestätigen können. Festzuhalten ist daher, dass eine simple Übertragung juristischer Fachtermini in die jeweils andere Fachsprache nur unzurei-Page 267chend gelingt23 (Beispiele «Heilung» oder «Conseil d’Etat», «voie de fait»). In dieser Hinsicht müssen viel vielversprechende und leichte Lösungen anbietende rechtsterminologische Wörterbücher mit Vorsicht genossen werden. Sie dienen der Übertragung einfacher und geklärter Rechtsbegriffe. Bei aktuell vom Gesetzgeber neu geschöpften Rechtstermini geht dies nicht so einfach; dies bezeugen unsere Beispiele bei der französischen Scheidung.

Bei Zusammensetzungen und Unterschieden in den Rechtsordnungen ist stets ein Rechts- und Sprachvergleich gefragt. Dabei können die Wörterbücher natürlich weiter ihre Hilfe leisten.

Damit steht auch fest, dass die Mehrsprachigkeit für die maschinelle Übersetzung eine große Herausforderung darstellen muss, weil eine juristische Interpretation maschinell nur unzureichend gelingt. Daher sind bei der maschinellen Übersetzung auch die Erläuterungen und Periphrasierungen juristischer Termini zu geben, um ein Maximum an Informationen von der Fremdsprache in die Zielsprache zu transportieren. Dazu können die Beispiele der «Nichtzulassungsbeschwerde» oder auch der «Auflassung» herangezogen werden.

Es versteht sich von selbst, dass bei Divergenzen zwischen Ur- und Zielsprache die Gesetzesfassung im Original heranzuziehen ist. Die bearbeiteten Rechtsgebiete, wie hier die der notariellen Beurkundung, der Insolvenzordnung und des Scheidungsrechts, verlangen durchgehend eine gründliche Wortfeldarbeit des juristischen Übersetzers.

4. Literaturapparat

Erfahrungen bei der Übersetzung von deutschen und französischen Rechtstexten sowie beim Rechtsvergleich schlugen sich in Projekten nieder, die Gegenstand der folgenden Publikationen waren:

Thomas Gergen, «Juristisches Übersetzen: Französisch-Deutsch», in: Revista de Llengua i Dret, 41 (2004), S. 309-313 (Generalitat de Catalunya, Escola d’Administració Pública de Catalunya, Barcelona).

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Ders., «L’authentification des actes juridiques en droit civil allemand par le notaire et d’autres officiers publics», in: Petites Affiches. Le Quotidien Juridique – La Loi 200 (2003), S. 6-10 sowie neuerdings (für deutsche Studierende und Rechtsreferendare) in: Juristische Arbeitsblätter (JA) 1 (2006), S. 43-47.

Ders., «Le statut juridique du syndic (Insolvenzverwalter) en droits allemand et français», in: Petites Affiches. Le Quotidien Juridique – La Loi 159 (2005), S. 4-8.

Ders., Sprachengesetzgebung in Katalonien – Die Debatte um die Llei de Política Lingüística vom 7. Januar 1998, Tübingen 2000 (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie, Bd. 302).

Ders., Katalanische Sprachpolitik 1997/1998: Materialien, Marburg 1999 (Edition Romanistik, Bd. 14).

Ders., «Begünstigung und Begünstigungswille als Abgrenzung zwischen Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung – Zur Kritik der Rechtsprechung seit BGHZ 36, 115», in: JURA – Juristische Ausbildung, 3 (2005), S. 185-193.

Ders., «Le statut juridique des syndics en droit allemand. Conditions d’accès à la profession, garanties, responsabilités civiles et pénales», in: Revue de procédures collectives civiles et commerciales, 3 (2004), S. 206-208.

Ders., «Lernbeitrag: Juristisches Übersetzen», in: Juristische Ausbildung (JA), 5 (2004), S. 388-390.

Ders., «Rezension von: G. Funk-Baker/H. Simon, Einführung in das deutsche Recht und die deutsche Rechtssprache, München/Paris, 2. Aufl. 2002», in: Juristische Schulung (JuS), 4 (2003), S. XLVIII-L.

Ders., «Rezension von: H.-P. Schömmer/T. Steinhauer/R. Haydu, Internationales Erbrecht Frankreich, München 2. Aufl.», in: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht = FamRZ 2006, S. 316.

Françoise Furkel/Thomas Gergen, «Das französische Ehescheidungsgesetz v. 26.5.2004 – Eine kritische Bestandsaufnahme», in: FamRZ, 19 (2005), S. 1615-1624.

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[1] Vgl. unsere Besprechung des empfehlenswerten Lehrbuches zur Einführung in das deutsche Recht: T. Gergen, «Rezension von G. Funk-Baker/H. Simon, Einführung in das deutsche Recht und die deutsche Rechtssprache, München/Paris, 2. Aufl. 2002», in: Juristische Schulung (JuS) 4 (2003), S. XLVIII-L.

[2] T. Gergen, «Juristisches Übersetzen: Französisch-Deutsch», in: Revista de Llengua i Dret, 41 (2004), S.309-313.

[3] So etwa: Das heißt einer Verletzung der Rechtsgüter von Ehre und Eigentum; vgl. T. Gergen, «Juristisches Übersetzen, S. 312 sowie ders., Lernbeitrag: Juristisches Übersetzen», in: Juristische Ausbildung (JA) 5 (2004), S. 388-390.

[4] T. Gergen, «Le statut juridique du syndic (Insolvenzverwalter) en droit allemand et français», in: Petites Affiches. Le Quotidien Juridique – La Loi 159 (2005), S. 4-8, hier S. 4 ; vgl. auch: ders., «Le statut juridique des syndics en droit allemand. Conditions d’accès à la profession, garanties, responsabilités civiles et pénales», in: Revue de procédures collectives civiles et commerciales, 3 (2004), S. 206-208.

[5] Unterscheide Beglaubigung von Beurkundung: Bei der Beglaubigung wird die Unterschrift des Unterzeichnenden als echt bezeugt (§ 129 BGB), d.h. dass die Abschrift einer Urkunde mit dem Original übereinstimmt. Die Beurkundung stellt zur Beglaubigung ein Mehr dar, denn bei der Beurkundung findet grundsätzlich vor dem Notar eine Verhandlung statt, in der die Beteiligten die zu beurkundenden Willenserklärungen abgeben. Über den Vorgang wird eine Niederschrift aufgenommen, die vorgelesen, genehmigt und von den Beteiligten und dem Notar eigenhändig unterschrieben wird.

[6] T. Gergen, «L’authentification des actes juridiques en droit civil allemand par le notaire et d’autres officiers publics», in: Petites Affiches. Le Quotidien Juridique – La Loi 200 (2003), S. 6-10, hier S. 7.

[7] T. Gergen, L’authentification, S. 8. Der in feierlicher Form erklärte Besitzverzicht wurde in den mittelalterlichen Quellen meistens mit der lateinischen Bezeichnung «resignatio» wiedergegeben und gab spätestens seit der Rechtsbücherzeit dem ganzen Geschäft der rechtsgeschäftlichen Übereignung von Liegenschaften den Namen, vgl. W. Ogris, Lemma “Auflassung”», in: A. Cordes/H. Lück/D. Werkmüller (Hg.), Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte (= HRG), 2. Aufl., Berlin 2005, Sp. 339-341, hier Sp. 339 sowie ders., in: A. Erler/E. Kaufmann (Hg.), HRG, 1. Aufl., Berlin 1971, Sp. 251-253, hier Sp. 251.

[8] Erklärung des deutschen Systems der notariellen Beurkundung in französischer Sprache für deutsche Juristen (Ausbildungsliteratur), vgl. T. Gergen, JA 1 (2006), S. 43-47.

[9] T. Gergen, L’authentification, S. 9-10; siehe zum Problem der Übersetzung von PACS und Lebenspartnerschaftsgesetz unsere Rezension zu H.-P. Schömmer/T. Steinhauer/R. Haydu, Internationales Erbrecht Frankreich, 2. Aufl., München 2005», in: Zeitschrift für das gesamte Familienrecht = FamRZ 2006, S. 316.

[10] T. Gergen, L’authentification, S. 8. Vgl. in diesem Zusammenhang unsere Untersuchung zur spanischen “legítima” und dem deutschen “Vorausvermächtnis”; T. Gergen, «Begünstigung und Begünstigungswille als Abgrenzung zwischen Vorausvermächtnis und Teilungsanordnung – Zur Kritik der Rechtsprechung seit BGHZ 36, 115, in: JURA – Juristische Ausbildung, 3 (2005), S. 185-193, hier S. 192.

[11] Nicht veröffentlichtes Gutachten zur Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit in Deutschland für das Juriscope (Poitiers). In diesem Zusammenhang tauchte auch das Problem der «Sprungrevision» auf, das wörtlich mit «saut en cassation» oder weniger spektakulär mit «passage en cassation» ins Französische zu übertragen ist.

[12] T. Gergen, Syndic, S. 4.

[13] T. Gergen, Syndic, S. 4.

[14] T. Gergen, Syndic, S. 4.

[15] T. Gergen, Syndic, S. 5.

[16] T. Gergen, Syndic, S. 7.

[17] Erstes Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts vom 14.6.1976, in: Bundesgesetzblatt (BGBl.) 1976, I, 1421 ff.

[18] F. Furkel/T. Gergen, «Das französische Ehescheidungsgesetz vom 26.5.2004 – Eine kritische Bestandsaufnahme», in: FamRZ, 19 (2005), S. 1616.

[19] F. Furkel/T. Gergen, «Das französische Ehescheidungsgesetz», S. 1617.

[20] F. Furkel/T. Gergen, «Das französische Ehescheidungsgesetz», S. 1621.

[21] F. Furkel/T. Gergen, «Das französische Ehescheidungsgesetz», S. 1622-1623.

[22] F. Furkel/T. Gergen, «Das französische Ehescheidungsgesetz», S. 1623.

[23] Diese Erfahrungen konnten ebenfalls gemacht werden bei der Studie zur Sprachengesetzgebung in Katalonien: T. Gergen, Sprachengesetzgebung in Katalonien. Die Debatte um die Llei de Política Lingüística vom 7. Januar 1998, Tübingen 2000 (Beihefte zur Zeitschrift für romanische Philologie, Bd. 302); ders., Katalanische Sprachpolitik 1997/1998: Materialien, Marburg 1999 (Edition Romanistik, Bd. 14).

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