Juristisches Übersetzen: Französisch-Deutsch

AutorThomas Gergen
CargoDr. jur., Dr. phil., Maître en droit. Saarbrücken
Páginas309-313

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In § 184 des 1deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes (=gvg) heißt es unzweideutig: „Die Gerichtssprache ist deutsch“. Damit fremdsprachliche Texte in deutscher Sprache vorgetragen werden können, bedarf es vor Gericht des juristischen Dolmetschens bzw. Übersetzens. Gerichtsdolmetscher und -übersetzer, die nach § 189 gvg einen gesonderten Dolmetschereid ablegen müssen, spielen gerade in einem internationalen Prozess eine bedeutende Rolle. Da der ausgebildete Diplomübersetzer bzw. -dolmetscher die oft sehr technische Juristensprache nicht mit dem Hintergrund eines Volljuristen ausführen kann, ist es notwendig, dass auch Juristen die juristische Fachsprache der jeweiligen Fremdsprache lernen bzw. mit den Übersetzern und Dolmetschern zusammenarbeiten.

Beim hier abgedruckten Beispieltext, der im französischen Original vorlag und dessen Übersetzung gefragt ist, kommt es auf sehr genaues Leseverstehen an. Der Bearbeiter sollte den Text zunächst einmal verstehen, danach die Fachtermini am Rande notieren und separat übersetzen, bevor er in der eigentlichen Feinarbeit dem Text den stilistischen Glanz gibt.1 Damit die Übersetzung fließend gelesen werden kann, sollte der Übersetzer nicht mehrere Bedeutungsvarianten eines Begriffes angeben und unübersetzbare Termini lieber in der Originalsprache kursiv setzen, um sie in einer Fußnote oder am Schluss zu erklären; hierbei helfen die einschlägigen Rechtswörterbücher. Auch der Bund Deutscher Übersetzer (bdü) leistet für juristische Übersetzungen stets wichtige Ausbildungs- und Bera-Page 310tungshilfe. Der vorliegende Text entstammt der Praxis der europäischen Institutionen. Insbesondere beim Europäischen Gerichtshof und dem Gerichtshof erster Instanz in Luxemburg ist Französisch Hauptarbeitssprache, in der auch die Originalurteile verfasst werden.2 Hier der zur Übersetzung ins Deutsche vorgesehene französische Text:

Französischer Originaltext

Selon la loi du 16 juillet 1980, « en cas d’inexécution d’une décision rendue par une juridiction administrative, le Conseil d’État peut, même d’office, prononcer une astreinte contre les personnes morales de droit public pour assurer l’exécution de cette décision ». Cette réforme constitue un progrès certain. Pourtant, elle comporte des failles, dues les unes à la loi elle-même, les autres à sa mise en œuvre. Le législateur a oublié tout d’abord, qu’il n’existait pas un lien absolu entre administration et juridiction administrative. Or, ne visant que l’exécution des décisions rendues par les juridictions administratives et ne permettant au Conseil d’État de prononcer une astreinte que contre les personnes morales de droit public, il a laissé sans solution le cas des décisions des juridictions judiciaires rendues contre les personnes morales de droit public et celui des décisions des juridictions administratives concernant les personnes privées.

Les juridictions judiciaires peuvent, dans certaines hypothèses, annuler des actes de personnes publiques. L’inexécution de leurs décisions ne rentre pas dans le champ d’application de la procédure d’astreinte établie par la loi de 1980. Il est vrai que, s’il s’agit d’une mesure constitutive de voie de fait, le juge judiciaire peut utiliser le pouvoir de condamnation sous astreinte qui lui est reconnu à ce titre. Mail il ne le peut si la décision dont il connaît à raison d’une règle particulière de compétence, ne présente pas pour autant le caractère de voie de fait. Il faudrait admettre que la compétence judiciaire ainsi reconnue implique non seulement le pouvoir d’annulation mais le pouvoir d’assurer l’exécution sous astreinte de cette annulation. Le droit judiciaire commun ne suffit pas à garantir cette solution. La loi de 1980 doit être complétée sur ce point.

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A l’inverse, le juge administratif peut être conduit à annuler des actes pris par des organismes de droit privé chargés d’un service public et investis de prérogatives de puissance publique. Or, l’exécution des décisions d’annulation des actes que ces organismes ont adoptés peut être d’autant plus difficile qu’ils se réfugient derrière leur statut de droit privé pour opposer une résistance à la fois au juge administratif et aux autorités administratives strictement entendues. La possibilité pour le Conseil d’État de prononcer des astreintes contre ces organismes de droit privé était au moins aussi nécessaire qu’à l’égard des personnes morales de droit public: faute de cette qualité, ils ne sont pas englobés par la loi de 1980.

On pourrait penser qu’il n’était pas nécessaire que la loi comportât une disposition à ce sujet. Le Conseil d’État a déjà reconnu aux juridictions administratives le pouvoir de prononcer des astreintes contre des personnes privées notamment lorsque l’Administration n’a pas le pouvoir de les contraindre à exécuter ses propres décisions. Cette jurisprudence ne pourrait-elle être transposée au cas de l’inexécution par une personne privée des décisions de justice? Ce ne serait plus seulement une autorité administrative qui demanderait au juge de prononcer des astreintes contre un particulier pour qu’il respecte un acte administratif mais un particulier qui lui demanderait de le faire à l’encontre d’un organisme privé pris comme autorité administrative pour qu’il exécute un jugement ou arrêt annulant l’acte administratif qu’il a adopté.

On voit mal comment les règles ordinaires du contentieux administratif pourraient aboutir à une telle solution, car l’organisme privé, étant en l’espèce pris non comme administré mais comme autorité administrative, le juge administratif n’a pas plus de pouvoir contre lui que contre une personne morale de droit public: il ne peut lui adresser d’injonction ni le condamner sous astreinte. C’est donc par la loi qu’il faut lui attribuer ce pouvoir. Ici encore la loi de 1980 devrait être complétée pour pouvoir être mise en œuvre à propos de l’exécution des décisions des juridictions administratives annulant des actes de personnes de droit privé.

Deutsche Übersetzung

Nach dem Gesetz vom 16. Juli 1980 „kann der Conseil d´État3 im Falle der Nichtumsetzung einer durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit ergan-Page 312genen Entscheidung sogar von Amts wegen gegen die juristischen Personen des öffentlichen Rechts ein Zwangsgeld festsetzen, um die Vollstreckung dieser Entscheidung zu gewährleisten.“ Trotz eines gewissen Fortschritts beinhaltet diese Reform Schwachstellen, von denen die einen auf dem Gesetz selbst, die anderen auf seiner Umsetzung beruhen. Zunächst einmal hat der Gesetzgeber außer Acht gelassen, dass Verwaltung und Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht unbedingt miteinander verbunden sind. Da er aber lediglich die Vollstreckung der von den Verwaltungsgerichten gefällten Entscheidungen im Blick hatte und den Conseil d´État dazu ermächtigte, nur gegen die juristischen Personen des öffentli- chen Rechts ein Zwangsgeld zu verhängen, hat er den Fall von Entscheidungen ungelöst gelassen, welche die ordentlichen Gerichte gegenüber den juristischen Personen des öffentlichen Rechts treffen sowie den Fall von Entscheidungen der Verwaltungsgerichte gegenüber den Privatpersonen.

Unter gewissen Voraussetzungen dürfen die ordentlichen Gerichte Akte der öffentlich-rechtlich verfassten Personen für nichtig erklären. Die Nichtvollstreckung ihrer Entscheidungen fällt zwar nicht in den Anwendungsbereich des vom Gesetz von 1980 eingerichteten Zwangsgeldverfahrens. Doch falls es sich um eine Maßnahme handelt, die den Tatbestand einer voie de fait4 erfüllt, so kann der Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit die ihm eigens dafür zuerkannte Befugnis nutzen, unter Zwangsgeldvorbehalt zu verurteilen. Jedoch kann er dies nicht, sofern die Entscheidung, für die er auf Grund besonderer Kompetenzregelung zuständig ist, gerade nicht die Merkmale einer voie de fait aufweist. Man müsste zulassen, dass die auf diese Weise anerkannte richterliche Kompetenz nicht nur die Ermächtigung zur Annullierung, sondern die der Gewährleistung der Vollstreckung dieser Annullierung unter Zwangsgeld umfasst. Da das Gerichtsverfassungsrecht gemeinhin keine ausreichende Lösung bietet, bedarf das Gesetz von 1980 diesbezüglich einer Vervollständigung.

Umgekehrt kann der Verwaltungsrichter gehalten sein, diejenigen Akte für nichtig zu erklären, welche von Einrichtungen des Privatrechts stammen, die mit einer öffentlich-rechtlichen Aufgabe betraut und mit hoheitlichen Befugnissen ausgestattet sind. Allerdings kann die Vollstreckung von Entscheidungen, solche von diesen Einrichtungen erlassenen Akte zu annullieren, umso schwieriger sein, als diese in ihren privatrechtlichen Status flüchten, um sich gleichermaßen gegen den Ver-Page 313waltungsrichter wie gegen die Verwaltungsbehörden im engeren Sinne abzuschirmen. Die Möglichkeit für den Conseil d´État, Zwangsgelder gegen diese Einrichtungen des Privatrechts festzusetzen, war mindestens genauso nötig wie gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Da Erstgenannte diese Eigenschaft aber nicht besitzen, werden sie vom Gesetz von 1980 nicht erfasst.

Man könnte denken, dass eine diesbezügliche Regelung im Gesetz überhaupt nicht erforderlich war. Denn der Conseil d´État hat den Verwaltungsgerichten bereits zugebilligt, gegen Privatpersonen insbesondere dann Zwangsgelder festzusetzen, wenn es nicht in der Macht der Verwaltung steht, sie zur Vollstreckung ihrer eigenen Entscheidungen zu zwingen. Könnte diese Rechtsprechung nicht auch auf den Fall übertragen werden, dass eine Privatperson richterliche Entscheidungen unvollzogen lässt? Es wäre dann nicht mehr nur eine Verwaltungsbehörde, die den Richter anriefe, gegen einen Privaten ein Zwangsgeld festzusetzen, damit dieser einen Verwaltungsakt befolgt. Auch könnte ein Privater beantragen, dies im Hinblick auf eine private, als Verwaltungsbehörde angesehene Einrichtung zu tun, damit diese einen Beschluss oder ein Urteil vollstreckt, die beide den Verwaltungsakt annullieren, den die Einrichtung selbst erlassen hat.

Man erkennt nur schwerlich, wie die allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechtsstreits in eine solche Lösung einmünden. Denn da die private Einrichtung im konkreten Fall nicht Bürger, sondern selbst Verwaltungsbehörde ist, hat der Verwaltungsrichter ihr gegenüber gerade nicht mehr Befugnisse als gegenüber einer juristischen Person des öffentlichen Rechts. Mithin kann der Richter ihr weder Weisungen erteilen, noch sie mittels Zwangsgeldverfahrens verurteilen. Daher muss man ihm diese Kompetenz per Gesetz zuerkennen. So müsste das Gesetz von 1980 noch um diejenigen Durchführungsbestimmungen ergänzt werden, welche die Vollstreckung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen betreffen, die Akte von Personen des Privatrechts annullieren.

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[1] . Wiebei jeder Übersetzung hat der Übersetzer eine nicht unerhebliche Gestaltungsfreiheit, so dass sich die angebotene Übersetzung auch hier als Vorschlag versteht.

[2] . «Le français est la langue du délibéré. Les arrêts et les avis de la Cour de justice des Communautés européennes et du Tribunal de première instance sont rendus en français, des traductions étant ensuite disponibles dans toutes les autres langues» (vgl. Règlement de procédure de la Cour de justice des Communautés européennes, JOCE L 176 du juillet 1991, chapitre sixième: „Du régime linguistique“ sowie Règlement de procédure du Tribunal de première instance, JOCE L 136 du 30 mai 1991, chapitre cinquième: „Du régime linguistique“).

[3] . Hier der Staatsrat in seiner Eigenschaft als oberstes französisches Verwaltungsgericht.

[4] . Das heißt einer Verletzung der Rechtsgüter Ehre und Eigentum.

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